Feb 28 / Nils Beckmann & Moira Marklewitz

Sono Motors stellt das Sion-Projekt ein - Was ist passiert?

Sono Motors hat es kürzlich offiziell gemacht: der Sion, das Auto mit Solarenergie, wird nicht produziert. Was bleibt sind ein paar Prototypen, ein Crash des Aktienkurses und die Frage, ob der Staat hier hätte aushelfen müssen.

In Kurzform ist folgendes passiert: Sono Motors hat die Produktion eines Solarautos eingestellt. Zuvor ging das Unternehmen 2021 an die amerikanische Börse und sammelte Anzahlungen für die Autoproduktion ein. Insgesamt sind 330 Millionen Euro zusammengekommen. Nach der Bauchlandung bekommen Anzahler*innen kein Auto und sollen sich einem Auszahlungsplan fügen. Dazu wird die „Community“ dazu aufgerufen, das angezahlte Geld nicht zurückzufordern. Zusätzlich ist Aktienkurs mit einem lauten Klatschen auf dem Boden aufgekommen und drei Viertel der Belegschaft werden vor die Tür gesetzt.
Das aktuelle „Kampagnen-Update“, das es in Form einer Veranstaltung als Livestream zu finden gibt, wurde vom Sono Motors Team genutzt, um sich zu erklären. Den vollen Stream gibt es hier: https://youtu.be/5APa5H-u3ks

Wir halten die Vorgehensweise bezüglich der Kommunikation mit ihrer Community für problembehaftet. Einige kritische Punkte werden wir im folgenden Abschnitte erläutern:

Problem 1) Own your bad news

Am Ende des Tages trägt das Gründerteam die Verantwortung für alle strategischen Entscheidungen. Schon früher wurde dem Team geraten, sich auf die Solartechnik zu fokussieren. Im Nachhinein ist es natürlich leicht, hier mit dem Finger zu zeigen.

Das Team muss aber die Verantwortung für die eigenen Entscheidungen tragen. Auch ohne Investments wurde versucht, ein Auto zu bauen. Die Kampagne zu den Vorbestellungen lief offenbar nicht gut, wurde aber verlängert. Das Team hat risikoreiche Entscheidungen getroffen und hat bis zur letzten Minute gewartet, die Kampagne und damit die Produktion einzustampfen. Wäre der Sion auf den Markt gekommen, wäre es ein Homerun gewesen.
So bleibt ein fader Nachgeschmack, aufgrund des Umgangs mit der gescheiterten Kampagne. Leider hat sich keiner im Team im Livestream hingestellt und gesagt: „Sorry Leute. Das Projekt scheitert, weil wir Fehlentscheidungen getroffen haben.“ Am Ende führten die Entscheidungen der Teams zu diesem Desaster. Alle Werbekampagnen, die Verlängerung des schlecht laufenden Crowdfundings… Ende Februar wurde noch der Stauraum des Sion angepriesen. Jetzt heißt es: gibt kein Auto. Dürfen wir bitte das Geld behalten?

In einem Blogartikel gestehen die Gründer ein, dass sie in der Vergangenheit falsche Entscheidungen getroffen und die Komplexität unterschätzt hätten. Immerhin ein wichtiges und richtiges Eingeständnis. Wenn es hier nur um Investor*innen-Gelder ginge, wäre das weniger ein Problem. Angesichts der Pressemitteilung zu den Crash-Tests am 7. Februar 2023, erscheint diese Erkenntnis allerdings sehr plötzlich gekommen zu sein, obwohl man sich der Auswirkungen der Verzögerungen scheinbar durchaus bewusst war.

Problem 2) Der Staat hat Schuld 

Die Externalisierung der Verantwortung. Statt die eigenen Entscheidungen zu hinterfragen und sich reflektiert zu zeigen, nutzt das Team die Gelegenheit und zieht den Joker: „Deutschland ist innovationsfeindlich!“ Große Konzerne werden gerettet, der Sion nicht. Was ist denn jetzt eigentlich mit der Energiewende?

Und hier betritt das Team schwieriges Terrain. Schaut man sich nämlich an, wie sehr die Community nun aktiviert werden soll, könnte man den Eindruck bekommen, hier wird ein „wir gegen die“ etabliert. Bayern habe nur 12k als Förderung ausgespuckt, so die Gründer. Der Rest kam aus dem Börsengang und von der Community. Die – nebenbei gesagt – offenbar nicht gewillt war, das Crowdfunding zu einem Erfolg zu machen. Die Kampagne ist nämlich am eigenen Anspruch gescheitert. Auf den Staat einzudreschen ist hier ein Ablenkungsmanöver. Es wurden nicht genug Autos vorbestellt. Investor*innen wollten die Solartechnologie - aber nicht das Auto. Warum sollte also der Staat hier fördern? Und was eigentlich genau? Hätte ein Rettungspaket denn dafür gesorgt, dass das Auto auf den Markt kommt? Wäre das wirklich verantwortungsvoll gewesen?

Auf der Homepage von Sonor Motors ist folgender Satz zu finden: Erzählt unsere Geschichte. Lasst die Nein-Sager nicht Überhand gewinnen. Kämpft gegen die Klimakrise, steht auf, für eine klimafreundliche Zukunft, für Innovation in Deutschland. Für eine Welt ohne fossile Energien.
Und das führt uns direkt zum nächsten Punkt:

Problem 3) Unternehmen sind keine NGOs 

Startups scheitern ständig. Und gerade so große Aufgaben, wie ein Solarauto, sind risikoreich. Genau dafür gibt es Venture Capital. Die rechnen das nämlich ein. Dass Sono Motors eine solche Community aufgebaut hat, ist beachtlich. Aber wir reden hier immer noch von einem Unternehmen an der Börse. 2016 gegründet, mit 330 Millionen Euro an Kapital ausgestattet. Das ist keine NGO, die auf Spenden angewiesen sein sollte. Wir freuen uns über jedes Startup, dass proaktiv unterstützt wird. Die Art und Weise ist allerdings problematisch. Jetzt liest man: „Jeder Euro, auf den du verzichtest, hilft uns!“. Und offenbar möchten Menschen, die eigentlich ein Auto vorbestellt haben, genau dies tun.
Die Gegenleistung? Wissen wir auch nicht. Wahrscheinlich das gute Gewissen, ein nachhaltiges Projekt zu unterstützen. Aber wir haben es hier nicht mit der Tafel um die Ecke oder einem Verein zu tun. Sono Motors muss und soll wirtschaftlich agieren. Das Motto scheint zu sein: Wir haben nicht genügend Steuergelder bekommen. Wollt ihr nicht direkt ein bisschen Geld geben? 

Problem 4) Aus Vorbestellungen werden Darlehen 

Um es deutlich zu sagen: Jede*r die ein Auto angezahlt haben, bekommen die Chance, das Geld zurückzubekommen. Sogar mit 5% Bonus. Damit werden Anzahlungen zu Darlehen. Man könnte nun argumentieren: das ist doch sehr großzügig. In der Theorie schon. Doch auf das Unternehmen kommen harte Zeiten zu. Mitarbeitende müssen abgefunden werden, Zuliefererverträge gekündigt und ausgezahlt werden… klar, man will die Prototypen und die ganze Sparte verkaufen. Das Unternehmen hat aber die Produktion eingestellt, da das Geld ausgegangen ist und bettelt darum, die Kohle behalten zu dürfen. Das lässt Zweifel daran, dass es ein entsprechendes Polster gibt, um die Auszahlungen zu tätigen. Dafür spricht auch, dass der Auszahlungsplan über 2 Jahre geht und in Raten bezahlt werden soll. Übrigens: wer nicht zustimmt, bekommt kein Geld. Ob das so in den AGB stand?

Sono Motors begibt sich hier auf dünnes Eis. Aus einer Anzahlung wird hier Risikokapital. Sono Motors muss nun die Finanzen in den Griff bekommen. Dazu wird auch wieder Geld aufgenommen. So könnte auch genug Geld zusammenkommen, wer weiß? Aber hier wurde das Risiko verschwiegen und Menschen werden dazu animiert, Geld an ein Unternehmen quasi zu spenden.

Kritik 

Unterm Strich bleibt: die Gründer haben sich bewusst als visionäre Macher inszeniert („we fought to the end“), die nicht an den eigenen Ansprüchen, sondern an den Rahmenbedingungen gescheitert sind. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Das Team wollte offenbar unbedingt das Auto produzieren. Das ist kein Problem. Sie haben dazu einen Börsengang unternommen. Kein Problem. Sie haben Vorbestellungen entgegengenommen. Auch kein Problem.

Schwierig wird es, wenn sich ein Unternehmen dazu entscheidet, Vorbestellungen für ein Produkt anzunehmen, dass vielleicht niemals existieren wird. Und dann auch keinen Backup-Plan hat, um sich abzusichern. So existiert das Risiko, dass die Anzahler*innen ihr Geld nicht zurückbekommen. Es fehlt insbesondere die Transparenz über die Mittelverwendung. Statt abschätzen zu können, ob ihr Geld vielleicht doch gut angelegt ist, wird die Community zum Verzicht aufgerufen, um die entstandenen Lecks zu stopfen.
Was bleibt ist ein Vorhaben, das nicht tragfähig war. Es gab nicht genug Vorbestellungen. Das Produkt hat sich nicht verkauft. Vor zwei Wochen wurde bei Twitter noch mit dem Sion geworben. Auch da muss klar gewesen sein, dass die Luft eng wird. Und so ein Auszahlungsplan entsteht auch nicht mal eben in 5 Minuten. Die komplette Website wurde angepasst. Die Vorbereitungen für diese Schritte brauchen Planung.
Die Frage ist, ob die „Community“ (Sono Motors hat übrigens die Marke „Community driven“ schützen lassen), trotz mangelnder Transparenz und Risikobewusstsein, dem Team die Stange hält. Allen die das tun wollen: viel Glück! Wir hoffen, ihr bekommt dafür auch etwas zurück.

Eine Anmerkung zum Schluss 

Verschiedene Medien haben darüber berichtet, dass Sono Motors insgesamt auf 3,3 Millionen Euro Förderung seit Gründung gekommen sind. Im Stream wird insbesondere benannt, dass Bayern nur 12.000 Euro Förderung ausgeschüttet habe. Gefördert wurde offenbar die Entwicklung der Solartechnologie und der Aufbau der Produktion.
Das Framing im besagten Stream sieht leider ganz anders aus.
Dass das Unternehmen überhaupt knapp 45 Millionen von den 100 benötigten Millionen eingesammelt hat, ist beachtlich. Investor*innen wollten aber nicht auffüllen. Das Risiko war offenbar zu groß. Wenn weder der Staat, noch die EU oder professionelle Investor*innen das Kapital bereitstellen, hat man sich offenbar einfach zu weit aus dem Fenster gelehnt.
Sono Motors hat sich überschätzt. Nun will man sich auf die Solartechnologie konzentrieren und dieses Geschäftsmodell ausbauen. Hier gibt es wohl schon interessierte Investor*innen, die größeres Potenzial in einem B2B-Modell sehen. Ob die Community hier eine Rolle spielt, bleibt fraglich und abzuwarten.

Quellen:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/sono-motors-staatsgeld-fuer-elektroauto-sion-a-220b38ac-2f80-4709-b130-30223df6017a

https://sonomotors.com/de/repayment-plan/

https://sonomotors.com/de/blog/the-future-is-solar/

https://ir.sonomotors.com/de

https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/sion-von-sono-motors-solarauto-aus-330-millionen-euro-f%C3%BCr-eine-vage-idee/ar-AA17Tj3u

https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/sono-motors-stampft-sein-e-auto-ein-%E2%80%93-und-entl%C3%A4sst-drei-viertel-der-belegschaft/ar-AA17Y7jA

https://vision-mobility.de/news/sono-motors-eu-kommission-foerdert-mobile-solartechnologie-233940.html